Serien-Abmahner Gravenreuth erschießt sich

Von am 22. Februar 2010 12 Kommentare 

Seine Abmahngeschäfte führten ihn zielstrebig zu einer Gefängnisstrafe, die er um keinen Preis der Welt antreten wollte. Rechtsanwalt Freiherr von Gravenreuth wählte den feigen Freitod.

Sein Abmahnwesen begann schon in den 1980ern, als er im Auftrag des Zeichners Albert Uderzo Comic-Parodien wie „Asterix und das Atomkraftwerk“ als Plagiate verfolgte. Selbst ein Buch mit parodistischen Hommagen an Comiczeichner fiel dem in Deutschland zum Opfer, obwohl das Original in Frankreich unbeanstandet erschien.

Als „Tanja“ berüchtigt wurde er, als er in den 1990ern eine Generation heranwachsender Computer-Enthusiasten bedrängte. Unter angenommenen Mädchennamen wie Tanja Nolte-Berndel schrieb er an Kleinanzeigen-Inserenten und bat sie um Softwaretausch – um ihnen dann kostspielige Abmahnungen zu übersenden. Durch serielle Strafanzeigen spannte er mit voller Berechnung Staatsanwälte und Polizei ein, um weiteren Druck auf seine Abmahnopfer auszuüben.

Seine nächste Abmahnwelle beruhte auf markenrechtlichen Absurditäten, als er verbreitete Begriffe wie Explorer, Webspace und Tricon mit Rundum-Abmahnungen als neue Geldquelle anbohrte. Bei der Bundestagswahl 2002 verlegte er sich auf Abmahnungen gegen Parteien, die angeblich unerwünschte Werbe-E-Mails versandten. Mit ähnlicher Masche versuchte er es anschließend bei Unternehmen und schließlich auch bei der Tageszeitung taz, bei der seine Abmahn-Karriere jedoch endgültig scheiterte.

Die Zeitung erstattete schließlich Strafanzeige, als Gravenreuth mit falschen Angaben die Internet-Domain der taz pfänden ließ und versteigern lassen wollte. Er wurde deshalb 2007 wegen versuchten Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Aufgrund vorhergehender Bewährungsstrafen wegen Untreue und Urkundenfälschung (er hatte Gelder seiner Mandanten einbehalten) wurde er schließlich zum Strafantritt gebeten, den er wiederholt verzögerte.

Günter Werner Freiherr von Gravenreuth, geboren 1948 als Günter Werner Dörr, kündigte seinen Suizid im Internet an und wurde heute erschossen aufgefunden. Seine Laufbahn und sein Ende verdankte er letztlich dem für Missbrauch weit offenen deutschen Abmahnrecht.

(bk)

Revision verworfen: Gefängnis für Abmahner Gravenreuth

Screenshot: gravenreuth.de

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Kommentare

12 Stellungnahmen zu “Serien-Abmahner Gravenreuth erschießt sich”
  1. DN sagt:

    Feige ist höchstens Ihr erster Absatz, in dem Sie sagen er „wählte den feigen Freitod.“ Ich glaube kaum, dass Sie den Mut besitzen sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Ich will Herr Gravenreuth auf keinen Fall verteidigen, er hat genug Unheil angerichtet. Aber diese Art von Berichterstattung ist einfach würdelos.

  2. Kohloe sagt:

    Ich kann meinem Vorredner nur zustimmen.

    Vielleicht passt würdelos besser (anstatt feige).

  3. Er sagt:

    Stimmt und ich schliesse mich an!

    In Japan haben sich früher die Samurai, nach dem Scheitern, in ihr eigenes Schwert gestürzt, von daher muss man doch seinen ehrenvollen Tod anerkennen. Wenigstens dabei ging er mit Ehre vor! Den momentanen Serienabmahnern kann man nur raten dem Beispiel zu folgen und mit Ehre und Ehrlichkeit abzutreten, sie schaden unserer Gesellschaft und dem Ansehen unseres gesamten Rechtssystems. Vor allem das Vertrauen in die Anwälte wird dadurch massiv zerstört.

  4. Anonymous sagt:

    Ihr drei habt doch einen an der Waffel!

    Natürlich ist dieser Freitod feige. Oder wollt ihn künstlich noch zum Heldentod hochstilisieren? – Dann wäre Hitler nämlich ein ganz großer Held gewesen, schließlich hat er sich gleich zweimal umgebracht: Gift & Kugel.

    14 Monate hätte er locker abdrücken können… er hat sich aber zu sehr dafür geschämt – auch sein Ruf als Anwalt (wenn er denn überhaupt noch einen hatte) wäre damit total im Hintern gewesen, womit auch seine Art des Broterwerbes gefährdet gewesen wäre. Vlt. kamen auch noch familäre Gründe hinzu.
    Unangenehm, aber nichts, was einen total aus der Bahn werfen müsste. Der Kerl war einfach nur zu schwach – mit Mut hat dies nichts, aber auch gar nichts zu tun.

    Ich bin ehrlich: mir kommt hier kein MItleid auf. – Jemand der Minderjährige zu einer „Starftat“ animiert, selber dabei mitmacht und anschließend die große Abmahn-Keule rausholt, darf von mir kein MItgefühl erwarten.
    Es ziemt zwar nicht Toten übel nachzureden, aber beschönigen muss man das Fehlverhalten dieses Herrn auch nicht. Was ich hier sage ist schlicht und ergreifend reale Sachlage.

    Das Einzige, was bei dem Artikel daneben ist, ist der letzte Satz, welcher sich so deuten lässt, dass er Opfer des deutschen Abmahnrechtes geworden ist.
    Jeder ist sich seines eigenen Glückes Schmied – unabhängig davon, dass das deutsche Abmahnrecht wirklich verbesserungswürdig ist.

  5. sb sagt:

    Der letzte Satz im ersten Absatz ist doof, aber das ist noch lange kein Grund, gleich mit Hitler um sich zu werfen. Die moralische Einordnung des Suizids sollte man wenigstens so lange unterlassen, bis die Gründe dafür geklärt sind.

  6. Anonym sagt:

    Nun hat eine Legende ein unrühmliches Ende gefunden.
    Trauer um ihn wird es wohl kaum geben. Zu viele Menschen hat er wegen kleiner und kleinster, angeblicher oder wirklicher Vergehen zur Kasse gebeten. Hat Schüler um ihr Taschengeld gebracht indem er sie zu einer Straftat anzettelte.

    Bei der TAZ hat er zu hoch gepokert …und verloren. Trotz alledem wäre es mir lieber, wenn er seine Lizenz und seine Anwaltskanzelei verloren hätte und den Weg in das Gefängnis angetreten wäre. Er stand kurz vor der Rente und hätte sein Leben in Ruhe und ohne Öffentlichkeit beenden können.

    Tanja, mit Dir haben wir alle ein Hassobjekt verloren. So haben wir das nicht gewollt. Deine Aggressivität ist legendär. Dein Name wird noch lange für Angst und Schrecken sorgen. Hast Du das gewollt?

  7. Opfer sagt:

    Nur eim Wort zu dessen Freitod:

    JUHUUU!!!!

  8. Anonymous sagt:

    …die bösen Geister, die er rief…

    …werden leider vollkommen unsolidarisch WEITER LEBEN, sich weiter an (oft auch) Wehrlosen vergreifen, werden weiter auch vielversprechende Ideen zunichte machen. Besser wäre es, hätte betreffender „Herr“ oder seinesgleichen niemals gelebt, wäre nie jemand auf die Idee gekommen, Abmahnungen zu etwas anderem zu nutzen, was sie sein sollten…

    …Justita – die du solch Machenschaften duldest/ermöglichst – du erfüllst mich mit Zuversicht! *würg*

  9. Anonymous sagt:

    „Die moralische Einordnung des Suizids sollte man wenigstens so lange unterlassen, bis die Gründe dafür geklärt sind.“
    >> Naja, egal was die Gründe waren – ein Heldentod war es mit Sicherheit nicht!
    („Er“ hat es sicherlich ironisch gemeint – das wäre dann doch ok. 🙂

    Hitler hat sich seiner Strafe entzogen, genauso dieser „Anwalt“ – die Suizid-Art fällt also unter die gleiche Kategorie. Ich habe den Verblichenen niemals mit Hitler selbst verglichen – sondern nur die Art des Ablebens der beiden (mal mehr mal weniger gehassten Menschen 😉

  10. DN sagt:

    Wer hat denn mit dem Heldentod angefangen? Das ist doch völlig in meine Aussage hineininterpretiert? Lasst doch den Unfug!

  11. K. Moersch sagt:

    don’t touch the taz….
    was wir dieser Zeitung alles verdanken geht auf keine Kuhhaut!

  12. W. aus D. sagt:

    Musterbeispiel als konträr diskutierbar:
    Emotional-moralisch-philosophisch, oder sachlich.

    Ohne Zweifel hatte er nach unserer sittlichen Norm einen ganz üblen Charakter; ich hatte indirekt auch mal das zweifelhafte Vergnügen, mit seiner Abmahn-Maschinerie Bekanntschaft gemacht haben zu dürfen. Und auch wenn ein Freitod immer tragisch ist, kommt bei mir nicht wirklich Mitleid auf.

    Ob man seine Entscheidung und deren Umsetzung nun als „mutig“ oder „feige“ einstuft, liegt im Auge des Betrachters – und ist m. E. eigentlich sekundär. Ich vermute, dass er so „gestrickt“ war und voll überzogener Selbstdarstellung, dass sein Weg so vorhersehbar wie konsequent war.

    Gruß an alle.