Ilse Aigner in Google-Panik

Von am 7. Februar 2010 6 Kommentare 

Nach Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) entdeckt auch Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) das Thema Google und warnt vor „ungenierter Bilderjagd“, wie es sich kein Geheimdienst erlaube. Zu spät, Google Street Cars wurden bereits in den Straßen Berlins gesichtet.

Vor einem Monat schnarrte bereits die Bundesjustizministerin und gab ihre Google-Warnung ab. In einem Spiegel-Interview outete sie sich dabei als unfreiwillige Google-Nutzerin, die offenbar nicht in der Lage ist, eine Voreinstellung ihres Browsers zu ändern. Auf die Frage nach der von ihr benutzten Suchmaschine, wenn im Internet unterwegs, orakelte sie über Google, das in ihrem Browser integriert sei:

„Kommt darauf an, was ich suche. Oft sind es einzelne Presseartikel, dafür nutze ich Paperball. Sonst natürlich auch oft Google, das ist in meinem Browser schon integriert, daran kommt man ja kaum vorbei.“

„Google ist im Browser integriert, daran kommt man ja kaum vorbei“

Immerhin konnte sie mit dem Begriff Browser schon etwas anfangen, ganz im Gegensatz zu ihrer ratlosen Vorgängerin Brigitte Zypries (SPD). Als Bundesjustizministerin hatte sie auch die Geistesgegenwart, gegen Aufnahmen Googles in ihrem Heimatort Widerspruch einzulegen. Die Zusicherung Googles, Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich zu machen, konnte Leutheusser-Schnarrenberger nicht überzeugen: „Ich werde das überprüfen, wenn das Bild da ist. Ich habe eine Hecke als Lärm- und Sichtschutz. Wenn die Aufnahmen darüber hinausgehen, ist das rechtlich nicht unproblematisch.“

Obwohl geängstigt vom möglichen Blick über ihre Hecke, erinnerte sie sich noch rechtzeitig an die liberale Vergangenheit ihrer Partei und hielt sich mit schnellen Forderungen nach Gesetzesänderungen zurück („meine erste Reaktion ist nicht, etwas zu verbieten“). Sie mahnte vielmehr so etwas wie eine „Bringschuld bei den Unternehmen“ an, begleitet von einer leisen Drohung: „Wenn das nicht bald geschieht, sind wir womöglich als Gesetzgeber gefordert.“

Ilse Aigner und die Bilderjagd

Eine CSU-Ministerin hat es traditionell leichter, lautstark nach Verboten und neuen Gesetzen zu rufen, nicht erst seit Günther Beckstein in den Kampf gegen „Killerspiele“ zog, darüber die Milliardenverluste der Bayerischen Landesbank aus dem Blickfeld und anschließend drastisch bei den Landtagswahlen verlor. Ilse Aigner, die bewussten Verbrauchern bisher vor allem durch rätselhaft schwankende Positionen (das kam selbst dem Bayernsender spanisch vor) zu gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln auffiel, fiel jetzt eben mal ein, sich mit der Forderung nach einer speziellen Lex Google für Deutschland zu profilieren.

Eine millionenfache Verletzung der Privatsphäre begehe Google mit dem Dienst Street View durch das Fotografieren vollständiger Straßenansichten: „Ich wehre mich gegen diese Form der Entblößung. Kein Geheimdienst dieser Welt würde so ungeniert auf Bilderjagd gehen.“

Die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz befinde sich deshalb bereits in Kontakt mit dem Innenministerium, um „rechtliche Schritte und Gesetzesänderungen“ zu prüfen. Die gewünschten Änderungen laufen offenbar auf eine vollständige Blockade hinaus, denn Google müsste dank schnell umgekehrter Rechtslage bei jedem einzelnen Hausbesitzer in Deutschlands eine Genehmigung für das Fotografieren einholen. Nach derzeitiger Praxis entfernt Google Bilder aus der Datenbank, wenn jemand Einspruch erhebt. Tatsächlich scheinen nur wenige das Straßenbild als Privatsphäre zu sehen, laut Google gab es bis heute nur einige Hundert Einsprüche.

Google verfüge zudem über „genauere Personenprofile als jede Regierung dieser Welt“, gab Aigner zu Protokoll. Ob sie denn Angst vor Google habe? „Ich glaube, viele haben zurecht ein ungutes Gefühl“, lautete ihre vorsichtig ausweichende Antwort.

Ihr mutiges Engagement gegen die Suchmaschine bekannt machte Bilderstürmerin Aigner ausgerechnet im illustrierten Münchner Magazin „Focus“. Dessen Eigner Hubert Burda lebt bekanntlich schon länger in der Angst, von Google schleichend enteignet zu werden.

Google sieht in die Straßen Berlins

Kommt Aigners Alarmruf gerade noch rechtzeitig oder ist die Bundeshauptstadt bereits der geheimdienstmäßigen Ausspähung durch die Suchmaschine anheimgefallen? Wenn wir den Kunstaktivisten von F.A.T. glauben dürfen, konnten sie ein vor dem „Haus der Kulturen der Welt“ geparktes Google Street Car mit einem GPS-Sender versehen.

Ihre subversive Aktion erlaube es ihnen jetzt, die Wege des Spähautos auf Google Maps darzustellen. Vorteil Ilse Aigner, denn sie könnte sich nun zu ihrer eigenen Sicherheit regelmäßig auf dieser Karte mit der Route vertraut machen, um nicht selbst der Bilderjagd von Google Street View zum Opfer zu fallen.

Die manchmal ausgesprochen peinliche Gesichter hat. Wenn man wie eine Spanierin in Madrid dazu neigt, sich auf öffentlicher Straße selbst zu entblößen.

(Ach ja, und die Aufnahmen für Google Street View in Berlin wurden bereits 2008 abgeschlossen. Diese Künstler von F.A.T. betreiben Desinformation ungenierter als Geheimdienste und die CSU. Ein Fall für die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz?)

(bk)

Screenshots: Google Street View, Rämi-Straße in Zürich / Google Street Car in Berlin

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Kommentare

6 Stellungnahmen zu “Ilse Aigner in Google-Panik”
  1. Sascha Pallenberg sagt:

    Hut ab, klasse Artikel!

  2. aytasch sagt:

    an google kommt man icht vorbei hahaha

    und sowas regiert deutschland, armes land

  3. Anonymous sagt:

    „Kein Geheimdienst dieser Welt würde so ungeniert auf Bilderjagd gehen.“
    >> Klar, was will ein Geheimdienst auch mit Straßenansichten?! lol

    „Google müsste dank schnell umgekehrter Rechtslage bei jedem einzelnen Hausbesitzer in Deutschlands eine Genehmigung für das Fotografieren einholen“
    >> Toll! Will ich in Berlin mal ein Bild vom Brandenburger Tor machen, muss ich dann auch erst bei Klaus Wowereit um Erlaubnis bitten? WTF!

    „Google verfüge zudem über “genauere Personenprofile als jede Regierung dieser Welt”“
    >> Google-Neid jetzt auch bei Politikern, nicht nur bei Ballmer?!

    “Ich glaube, viele haben zurecht ein ungutes Gefühl”
    >> Ja, ich befürchte z. B., dass die ganzen Google StreetView-Aufnahmen nicht auf eine SD-Karte passen, weshalb sie ständig über das Netz nachgeladen werden müssen – dies erfordert dann eine ständige Datenverbindung meines Taschentelefons, was ich als große Einschränkung empfinde! 😉

  4. Werner Köhler sagt:

    Das wird dazu führen, dass man bald überhaupt nichts mehr fotografieren darf geschweige denn ins Netz stellen. Das Häuschen der von Einbrechern bedrohten Oma und den bayrischen Porno-Gartenzwerg kann man längst in Google Maps besichtigen, und zwar von oben! Die Hysterie ist also absoluter Unsinn und wird Tausenden von Hobbyfotografen Ärger bereiten. Denn die Gesetze, die für einen Großkonzern gelten, gelten dann logischerweise auch für dich und mich. Portale wie fc oder flickr können dann auch gleich dicht machen. Übrigens planen einige bayrische Gemeinden bereits eine Art Fotoabgabe. Google wird sie ggf. bezahlen können, Otto Normalverbraucher nicht. Und wo ist Frau Aigners Sorge bei ELENA, Lauschangriff, Videokameras auf öffentlichen Plätzen, Onlinedurchsuchung, Kontenabgleich, Bespitzelung von Hartz-IV-Empfängern? Datenschutz? Bei der CSU? Dass ich nicht lache!

  5. Jensi sagt:

    Ich spiele Ballerspiele und werde nicht Amok laufen.
    Ich benutze Google Earth und Street View und bin noch nirgendwo eingebrochen und werde dies auch nie tun. Ich will Street View für Deutschland!!

    Liebe Politiker: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Schnauze halten!

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Was andere über diesen Beitrag sagen ...
  1. […] gehöre ja nicht zu den Menschen, die mit Google grundsätzlich gefährlich finden. Bisher noch nicht einmal zu groß, oder nervig, oder in der Ausführung […]